Interview mit Manfred Radtke über die Geschichte von Dynamo Schwerin
Am 1.5.2008 erlaubte uns der Vereinspräsident der SG Dynamo Schwerin, Manfred Radtke, ein exklusives Interview zur geschichte von Dynamo Schwerin zu führen. Was dabei herausgekommen ist, könnt ihr hier lesen.
Vor allem jetzt über die Geschichte von Dynamo Schwerin ist ja weniger bekannt, eher nur stichpunktartig. Wissen sie noch, wie es damals 1953 zur Gründung kam?
1953, das weiß ich natürlich nicht. Bin 1954 ja erst geboren. Ich weiß nur, das es ein Organ der Sicherheitsorgane war und da hat sich Dynamo Schwerin so entwickelt, dass sie erst als Dynamo in Rostock waren, aber da gab es eine politische Entscheidung, dass Dynamo Schwerin dann nach Schwerin versetzt wurde. Und hier haben sie sich dann auch 1953 erst gegründet. Mehr weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass wir heute, oder dieses Jahr den 55. Jahrestag der alten SG Dynamo Schwerin hätten.
Und den 5. der neuen…
Und den 5. neuen. Ganz genau.
Gab es damals schon mehrere Sektionen oder gab es nur den Fussball?
Nein, damals gab es auch schon mehrere Sektionen in der alten SG Dynamo Schwerin. Da gab es Leichtathletik, da gab es Boxen, wir hatten Judo, Ringen, da waren wir auch erfolgreich… Schießen, waren wir sehr erfolgreich Ja, das waren so, was wir mit Dynamo Schwerin verbinden.
Aber auch schon viele…
Ja.
Ja, welche Erfolge hatte denn Dynamo Schwerin damals schon?
Der größte Erfolg, ich sag mal wenn man die Chronologie als solches nimmt, ich hatte ja das Glück, dass ich immer Teilnehmer war, dass heißt der Erfolg ist auch immer mit meinem Namen verbunden. Das kann ja auch alles, ein bisschen Glück ist das aus der Sicht der Historie. Aber der größte Erfolg war 1975 die Teilnahme an der Oberliga Aufstiegsrunde. Damaliger Trainer, Horst Schulz, ich war damals noch sein Zögling, sag ich mal, ich war erst 19 Jahre jung oder 20 Jahre jung. Ne 21, 75? Ja, 19 Jahre. Und dort nahmen wir dann teil und haben knapp den Aufstieg verfehlt in der höchsten Spielklasse. Das war schon sensationell. Wir haben hier im entscheidenden Spiel gegen Union Berlin, die dann auch aufgestiegen sind, vor 10.800 Zuschauern hier auf Paulshöhe leider 5:1 verloren und damit war die Tür verschlossen. Hätten wir gewonnen, dann wär Dynamo Schwerin aufgestiegen. Und deshalb, diese Teilnahme 1975 war ein großer Erfolg. Dann die zweite Teilnahme an der Oberliga-Aufstiegsrunde, das war 1984, ebenfalls der damalige Trainer Horst Schulz, ich war seinerzeit auch Spieler sag ich mal wieder, konnte zweimal also an diesen Geschichten dran teilnehmen, an den Oberliga-Aufstiegsrunden, an der Qualifikation. Na ja, und dann ging es los, Schlag auf Schlag, als ich dann 1988 Trainer geworden bin, da wollte ich, ich war der jüngste Trainer seinerzeit in der DDR, da wollte ich unbedingt Pokalsieger werden. Man hat mich zwar für verrückt erklärt, aber ich war auch so ehrgeizig, hab gesagt: „Die Klasse, die schaffen wir“ und wir sind gleich im ersten Jahr bis ins Viertelfinale gekommen. 1989, das heißt im Viertelfinale konnte uns erst Grün-Weiß Erfurt stoppen, vor 8.000 Zuschauern haben wir hier 3:0 verloren. Aber diese Niederlage war auch meine wichtigste Niederlage und Erkenntnisse und als die Spieler runter gekommen sind, vom Spielfeld, haben die gesagt: „Trainer, nächstes Jahr holen wir den Pokal“. Und dann begann ja auch wirklich der Marsch bis in den Europapokal hin. Im darauf folgenden Jahr, als wir uns denn die Spitzenreiter 1. FC Magdeburg, die wir ja schon im Vorjahr 3:1 geschlagen haben, die haben wir… damals war Verlängerung, aber ein Jahr später haben wir sie sensationell 3:1 als Spitzenreiter hier von Paulshöhe gefegt, vor 6.000 Zuschauern. Und dann kam natürlich das legendäre Spiel, das entscheidende Spiel am 14.4.1990, das leb ich, das vergisst man nie, da ging es um Sein oder Nichtsein für die SG Dynamo Schwerin und für den 1. FC Lok Leipzig, den wer dort dran teilnimmt, der steht im Finale des FDGB-Pokals in Berlin und weil Dynamo Dresden damals klarer Spitzenreiter war, war es so, dass der Gewinner automatisch gesetzt wird für den Europapokal der Pokalsieger. Und dann haben wir hier dann vor 1.000 Zuschauern Lok Leipzig mit 8 Nationalspielern sensationell mit 1:0 bezwungen durch eine Prangeecke und Stammmann, der kleinste auf dem Feld, macht ihn per Kopf rein und wir konnten das mit dem überragenden Andreas Reincke auch bis zum Schluss der regulären Spielzeit verwalten und sind somit sensationell nach Berlin gefahren. Dort war der Endspielgegner 1990 die SG Dynamo Dresden, noch mit Ulf Kirsten, noch mit Sammer, die waren Pilz, da war die erste Kapelle war da und dort haben wir nur mit knapp 2:1 verloren.
Und dann kam natürlich danach der Europapokalauftritt und der sah wie folgt in der Vorbereitung war der gut, sag ich mal, wir haben uns vorbereitet, über 14 Tage in Klink und das wichtige daran war, wir wollten natürlich auch ne Runde weiter kommen, haben hier das Hinspiel leider mit 0:2 verloren, sind aber nach Wien gefahren und wollten dort unbedingt den Bock umstoßen. Wir waren dort wirklich drauf und dran und hatten 300%ige Chancen, dass wir sogar in Wien hätten die Austria dort mit 3:0 vom Platz schicken können. Dieses 0:0 war trotzdem sensationell, denn die ganzen österreichischen Zuschauer haben ihr Geld, ihr Eintrittsgeld, wieder zurückbekommen von Austria Wien, weil die sich so blamiert haben gegen 10 Amateure von Dynamo Schwerin, so was hatte es noch nicht gegeben. Da standen wir wirklich in Europa ganz, ganz oben, denn letztendlich waren wir der krasseste Außenseiter, den es je gegeben hat. Und die Teilnahme als solches muss man bedenken war in 40 Jahren DDR hat nicht ein einziger Zweitligist im Europapokal der Pokalsieger teilgenommen. Wir waren der Einzige, der es seinerzeit geschafft hat, und das macht uns natürlich stolz. Und dieser Mythos, diese Tradition, die haben wir natürlich auch heute noch mit der Neugründung am 27.11.2003 mitnehmen können. Und es war auch mir vorbehalten seinerzeit, als ich noch als Spieler teilgenommen hab an den Oberliga-Aufstiegsrunden und nachher als Trainer in der schönsten, in der erfolgreichsten Zeit der Dynamo Geschichte, wo hier wirklich 6. bis 8.000 Zuschauer an den Pokalspielen waren, ja, da war es auch mir vorbehalten mit Freunden, so wie Ditmar Hirsch, der heutige Vorstandsvorsitzende, sag ich mal, dass wir die SG Dynamo Schwerin noch einmal gründen, und das war natürlich ein Selbstläufer war das, also sind wir auch ein bisschen stolz darauf, aber welche Kraft und welche Bemühungen dahinter steht, welche Leidenschaft und Intusiasmus, das kann sich gar keiner vorstellen. Das wird auch viel an meiner Person festgemacht, aber letztendlich sind so viele Helfer da, so viele Fans, Fussballfans und deswegen ist die SG Dynamo Schwerin wohlwollend auch ein sehr, sehr gutes Fundament. Das ist in erster Linie, das sind die Fans, dann die 60 Ehrenamtlichen, die rund um die Uhr für die SG Dynamo Schwerin unentgeltlich da sind und natürlich unser Flaggschiff, die erste Männermannschaft.
Alles drei ist eng miteinander verflochten und sie stehen auch in gegenseitiger Verantwortung, es gibt nur ein Miteinander und deshalb konnten wir auch im Laufe dieser Zeit auch dreimal bisher aufsteigen. Obwohl natürlich jetzt den großen Wurf auch noch schaffen, den vierten, das wäre natürlich sensationell.
Obwohl das jetzt ziemlich schwierig ist. Jetzt noch vier? Wie holen wir das noch auf?
Ja, natürlich, wie holen wir noch auf. Es ist erstmal eins, wir dürfen nicht die Nerven verlieren. Wir müssen am Wochenende nur gewinnen, mehr nicht, wir können’s nicht beeinflussen, aus eigener Kraft können wir’s nicht schaffen, aber wir werden am Wochenende gegen Warnemünde gewinnen und dann sind sie erstmal angeschlagen, dann haben sie nur noch 1 Punkt Vorsprung. Und dann liegt es in der Eigendynamik, als solches selber, denn am Wochenende erwarten wir weit über 1000 Zuschauer und ich gehe mal davon aus, dass die Spieler es auch begriffen haben, denn der Aufstieg, der war ja dieses Jahr gar nicht geplant. Es war nur so, ich hab letztes Jahr gesagt, wenn wir nur einen Rückstand von 5 Punkten haben, dann werden wir alles dafür tun, um die SG Dynamo Schwerin für den Aufstieg auch in die Verbandsliga vorzubereiten. Das wollten wir um jeden Preis. Deshalb haben wir auch diese ganze Strukturänderung vorgenommen, wir haben einen Aufsichtsrat gegründet, einen Vorstand, einen neuen… konnten dadurch 8 Ehrenamtliche für höhere Positionen dort gewinnen. Im Aufsichtsrat sind 7 Mann, im Vorstand 4 Mann, so dass das auf mehrere Schultern verteilt wird, so dass ich mich als Trainer freisetzen kann, denn ihr wisst ja, ich bin der Aufsichtsratsvorsitzende geworden, einstimmig. Wo ist das heute noch, dass man so eine tolle Demokratie leben kann, wie bei Dynamo Schwerin. Und so bin ich jetzt frei gestellt als Trainer und dafür muss ich mich bei allen anderen Mitgliedern hier auch bedanken, die diesen Schritt hier auch gewagt haben, mitgegangen sind, denn ihr könnt mir glauben, dass ist schon ein Marathon, das ist eine ganz, ganz schwere Aufgabe. Ich bin 6-mal die Woche hier, von nachmittags an bis abends, so Training ist jeden Tag, aber außer Freitags. Jetzt schieben wir natürlich Freitag auch noch mit rein, weil Herrentag ist. Ich möchte meine Jungs wieder gesund sehen, damit wir auch am Samstag die Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen können: „Ja, Dynamo Schwerin will aufsteigen. Dynamo Schwerin hat das Anspruchsniveau und wir sind auch so kämpferisch, sag ich mal, dass wir es auch packen werden.
Ja, da sind sich mit Sicherheit viele Fans auch sicher, das wir das trotzdem schaffen. Noch eine Frage: Aus welchem Grund wandelte sich der SG Dynamo Schwerin zum PSV Schwerin?
Das war so, damals ist eine Wendezeit gekommen, wo wir uns in der Qualifikation bereits befanden, da war es so, am 14.4. haben wir das große legendäre Spiel gegen Lok Leipzig, am 14.4.1990, das wir ja sensationell mit 1:0 gewonnen haben und damit die Qualifikation für das Endspiel sicher hatten und damit auch schon zu 99% für den Europapokal der Pokalsieger. Da es Wende war haben wahrscheinlich einige alte Kommunisten gedacht, wir verschleiern einfach unseren Namen, nehmen Dynamo Schwerin weg und gehen in den PSV unter, denn Dynamo Schwerin war ja ein Polizeiverein, ja, das heißt wir sind ganz normal übergegangen, PSV heißt ja Polizeisportverein, na ja und haben dadurch einfach am 17.4., 3 Tage nach der Qualifikation gegen Lok Leipzig den Namen abgelegt, sind eben automatisch, weil wir ja alle bei der Polizei waren, sind wir automatisch in den PSV eingegangen und dort, das hat sich ja später noch mal, weil man ja aus dem PSV raus wollte, weil man ja Fussball-Geschichte schreiben wollte in Schwerin, hat sich dann ja der FSV neu gegründet und später dann wollte ja der FSV mit dem SSC zusammengehen, da hat man sich den Namen Eintracht gewünscht. Den Namen Eintracht hatte man, aber leider sind beide Vereine nicht zusammen gegangen, so dass es den SSC als solches gibt und jetzt die neu gegründete SG Dynamo Schwerin. Und Wettbewerb tut allen gut.
Gut, dass wär’s erstmal zur Geschichte gewesen. Danke erstmal.
Alles klar!
Interview vom 01. Mai 2008